Titelbild Osteuropa 1-3/2024

Aus Osteuropa 1-3/2024

Russlands inneres Imperium
Zentrum gegen Regionen

Andreas Heinemann-Grüder


Abstract in English

Abstract

Russland hat gemäß Verfassung einen föderalen Staatsaufbau. 25 der über 80 Regionen sind nationale Republiken oder Autonome Kreise, die übrigen Selbstverwaltungsgebiete, die nicht nach ethnischem Kriterium konstituiert wurden. Gemessen an Fläche, Bevölkerungszahl und Wirtschaftsstruktur sind die Regionen äußerst heterogen. In den frühen 1990er Jahren konnten starke Republiken formale Autonomierechte sowie Mitspracherechte im Zentrum durchsetzen. Doch ab der zweiten Hälfte der 1990er Jahre kam es zu einer Umkehr dieser Entwicklung. Einer der Katalysatoren war die militärische Reaktion auf die tschetschenischen Separationsbestrebungen, die Moskau in zwei rücksichtslosen Kriegen niederwarf. Das in Tschetschenien entwickelte Modell der Eingliederung loyaler Regionalführer in eine zentralistische Machtvertikale wurde in den 2000er Jahren auf sämtliche Regionen übertragen, nahezu alle Quellen autonomer Macht beseitigt. Russlands Krieg gegen die Ukraine hat den Zentralismus weiter verstärkt. Doch er legt zugleich die Sollbruchstellen des heterogenen Gebildes Russland offen.

(Osteuropa 1-3/2024, S. 123–134)