Titelbild Osteuropa 12/2019

Aus Osteuropa 12/2019

Leiser Radikalismus
György Konrád, Vermittler zwischen den Welten

Ferenc Laczó


Abstract in English

Abstract

György Konrád war eine singuläre Gestalt unter den ungarischen Intellektuellen. Er war ein ausgezeichneter Sozialwissenschaftler, ein hervorragender Schriftsteller und ein kluger politischer Denker. Doch was ihn vor allem auszeichnete, war seine Fähigkeit, zwischen verschiedenen Milieus zu vermitteln. Mit seinem „antipolitischen“ Handeln hat er dazu beigetragen, dass die Spaltung Europas 1989 friedlich überwunden werden konnte. Einige seiner politischen Urteile aus späteren Jahren, etwa zum Kosovo-Krieg, sind fragwürdig. Im Jahr 2015 schien sein europäisches Denken sich in ein eurozentrisches verwandelt zu haben. Dennoch ist der Tod Konráds für Ungarn ein großer Verlust. In einer Zeit, in der das Land von nationalistischer Mobilisierung und gewissenloser Politisierung geprägt ist, wird seine leise, radikal am Prinzip des Dialogs orientierte Stimme fehlen.

(Osteuropa 12/2019, S. 77–88)