"Ich akzeptiere keine Geheimbestattung"

Russlands Regime will ein öffentliches Begräbnis von Aleksej Naval’nyj verhindern. Seine Mutter fordert in einer Videobotschaft die Einhaltung des Gesetzes.

Ljudmila Naval'naja, 22.2.2024

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Ich habe soeben die Räume der Untersuchungsbehörde in Salechard verlassen. Ich habe dort fast 24 Stunden alleine verbracht, nur in Anwesenheit von Untersuchungsbeamten und Kriminalisten. Erst heute nachmittag wurde ein Anwalt zu mir vorgelassen.

Gestern abend hat man mich stillschweigend in eine Leichenhalle gebracht und mir Aleksej gezeigt. Die Untersuchungsbeamten behaupten, die Todesursache sei bekannt. Alle notwendigen medizinischen und rechtlichen Unterlagen liegen vor. Ich habe diese Dokumente gesehen und den Totenschein unterschrieben.

Laut Gesetz hätten die Beamten mir Aleksejs Leichnam sofort übergeben müssen, das ist aber bis jetzt nicht geschehen. Stattdessen versuchen sie, mich zu erpressen, sie stellen mir Bedingungen, wo, wann und wie Aleksej beerdigt werden soll. Das verstößt gegen das Gesetz.

Ich war mit im Raum, als die Befehle aus dem Kreml oder aus der Leitung der Untersuchungsbehörde eintrafen. Die Beerdigung soll geheim ablaufen, ohne Trauerfeier. Sie wollen mich zu einem frischen Grab am Rand irgendeines Friedhofs führen und verkünden: Hier liegt Ihr Sohn. Das akzeptiere ich nicht. Ich möchte, dass alle, denen Aleksej viel bedeutet hat, für die sein Tod eine persönliche Tragödie ist, von ihm Abschied nehmen können.

Ich zeichne dieses Video auf, weil man mir inzwischen auch droht. Sie wollen irgendetwas mit Aleksejs Leichnam machen, wenn ich einer Geheimbestattung nicht zustimme, das hat man mir direkt ins Gesicht gesagt. Der Untersuchungsbeamte Voropaev sagt mir ganz unverfroren: „Die Zeit arbeitet gegen Sie, Leichen verwesen.“

Ich will keine Vorzugsbehandlung, ich will lediglich, dass die Gesetze eingehalten werden. Ich verlange, dass mir der Leichnam meines Sohnes ohne weitere Verzögerung übergeben wird.

Aus dem Russischen von Olga Radetzkaja und Volker Weichsel, Berlin