Titelbild Osteuropa 3-5/2018

Aus Osteuropa 3-5/2018

Umkämpfter Krieg, umkämpftes Museum
P. Machcewiczs Plädoyer für mehr Vernunft

Joachim von Puttkamer

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Abstract in English

(Osteuropa 3-5/2018, S. 519–520)

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Im April 2017 wurde Paweł Machcewicz als Direktor des Museums des Zweiten Weltkriegs in Danzig entlassen. Genauer gesagt wurde ihm ein neuer Direktor vor die Nase gesetzt, nachdem das Museum rechtskräftig mit einem eigens zu diesem Zweck eingerichteten, faktisch nicht existenten Museum der Westerplatte zusammengelegt worden war. Es war eine Groteske, deren Ausgang lange absehbar war. Machcewicz hatte hartnäckig um jeden Monat, jeden einzelnen Tag gekämpft, um die Hauptausstellung noch in der geplanten Form eröffnen zu können. Das ist ihm gelungen. Sein Buch erzählt die Geschichte dieses, seines Museums, von der Gründungsidee im Jahr 2007 und den verheißungsvollen konzeptionellen Anfängen bis zum Wettlauf mit der Zeit, nachdem die nationalpatriotische PiS im Herbst 2015 an die Regierung gekommen war.

Die Vordenker der PiS hatten ihre Vorwürfe an das Museum früh artikuliert. Es sei kosmopolitisch, pazifistisch und verleugne die polnische Sicht auf den Weltkrieg. Dabei war es aus einer Anregung entstanden, den Berliner Überlegungen für ein Museum von Flucht und Vertreibung ein eigenes, eben polnisches sichtbares Zeichen entgegenzusetzen. Machcewicz lässt sich sein Selbstverständnis, ein ebenso gut polnischer Historiker zu sein wie seine Kontrahenten, nicht streitig machen. Konsequent führt er in seinem sehr persönlich gehaltenen Bericht immer wieder vor, wie konzeptionslos das Ministerium und sein Umfeld seit 2015 agierten. Sein Buch ist ein leidenschaftliches Plädoyer für jene sachliche Debatte über Inhalte, die das Ministerium standhaft verweigerte, und der Autor duldet nicht, dass diese Haltung an sich schon eine politische Parteinahme sein soll. Der Streit um das Museum wird so als ein Ringen um die öffentliche Meinung sichtbar, das noch längst nicht entschieden ist. Mit einer Fülle von Zeitungsberichten, Zuschriften und Stellungnahmen seziert er den tiefen Konflikt zwischen einem selbstbewussten, weltoffenen Polen auf der einen und einem ängstlichen, gegenüber dem Westen abgeschotteten Polen auf der anderen Seite. Er zeigt, wie tief dieser Konflikt in die Teilungszeit zurückreicht. Dem romantischen Kult der bewaffneten Tat setzt er das Eintreten für das Gemeinwohl entgegen, zu dem das Danziger Museum in der von ihm geplanten Konzeption ermutigen soll. Die Ausstellung lehre Demut und die Hoffnung auf den Sieg des Guten über das Böse, schrieb eine dem Museum tief verbundene KZ-Überlebende an den Minister. Ausweislich des juristischen Konfliktes, der hier im Detail ausgebreitet wird, geht es nicht zuletzt auch um die Zukunft des Rechtsstaates, nicht nur in Polen. Ebenso unmissverständlich wie dezent weist Machcewicz auf Parallelen etwa zu Ungarn oder zu Russland hin.

Er wolle kein Politiker sein, sondern am liebsten Bücher schreiben, hat Machcewicz Kulturminister Gliński in einer Senatsanhörung vorgehalten. Nun hat er, nur ein Jahr nach seiner Entlassung, ein Buch vorgelegt, in dem es nicht nur um Polens, sondern auch um unsere Freiheit geht.

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