Titelbild Osteuropa 6-8/2017

Aus Osteuropa 6-8/2017

Einheitlich bipolar
Die Sprache des Sowjetsystems aus linguistischer Sicht

Daniel Weiss


Abstract in English

Abstract

Das offizielle Idiom der Sowjetmacht war kein zufälliges Cluster heterogener stilistischer Merkmale, sondern ein konsequent auf eine übergeordnete semantische Polarisierung ausgerichtetes, einheitliches Ganzes. Die zentrale Achse ergab sich wie in jeder Propaganda aus der Scheidung der Eigenen von den Fremden. Die dafür eingesetzten Mittel umfassten jedoch weite Bereiche ursprünglich wertneutraler Lexik, angefangen bei Pronomina wie alle oder jeder vs. einige oder manche, Adverbien wie immer vs. manchmal, Modalausdrücke wie müssen oder notwendig vs. können oder möglich – und reichten somit weit in die Satzsemantik und Syntax hinein. Spuren dieses Newspeak finden sich auch in der Sprache der anderen sozialistischen Länder und ziehen sich bis in die heutige Rhetorik der russischen Politik.

(Osteuropa 6-8/2017, S. 425–436)