Titelbild Osteuropa 5-6/2004

Aus Osteuropa 5-6/2004

Das Erbe von 1989
Revolutionen für Europa

Stefan Auer

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Abstract

Um dem Anspruch gerecht zu werden, eine Wertegemeinschaft zu sein, sollte die Europäische Union dem Erbe der Revolutionen von 1989 mehr Aufmerksamkeit schenken. Die Erfahrung der Völker Ostmitteleuropas zeigt, daß radikale politische Umbrüche mit friedlichen Mitteln erreicht werden können. Insofern stellen die „konservativen“ Revolutionen in Ost-mitteleuropa eine Herausforderung für das klassische Revolutionsparadigma seit der Französischen Revolution dar: Im Gegensatz zu 1789 demonstrieren die Ereignisse von 1989, daß ein Neuanfang ohne radikalen Bruch mit der Vergangenheit möglich ist.

(Osteuropa 5-6/2004, S. 31–46)

Volltext

Die europäische Integration hat dem gegenwärtigen Europa radikale Veränderungen gebracht. Die Vorstellung von nationaler Staatsgewalt veränderte sich dramatisch in dem Maße, wie die bestehenden Grenzen der Nationalstaaten ihre Bedeutung einbüßten. Die Regierungssysteme der Mitgliedstaaten mußten den Bedürfnissen der immer stärkeren ökonomischen und politischen Integration nachkommen, was zu einem neuen Typ von Politik auf europäischer Ebene führte. Die Erweiterung der Europäischen Union intensiviert diese Prozesse, wie sie auch das Ende der Spaltungen des Ost-West-Konflikts markiert. Sie soll auf vielfältige Weise die ursprüngliche Zielvorgabe der Europäischen Vereinigung erfüllen, nämlich die Erblasten des Zweiten Weltkriegs zu überwinden. Gemessen an diesen Folgen, erscheinen die Veränderungen, die durch die europäische Integration bewirkt wurden, wahrlich revolutionär. Und wie in jeder guten Revolution, die diesen Namen verdient hat, geht die Hoffnung nun dahin, daß ihre Ergebnisse in einer neuen europäischen Verfassung bewahrt werden. Dennoch scheint es unpassend, in bezug auf die Entstehung der Europäischen Union von einer Revolution zu sprechen. Die neue politische Einheit mag wohl „unsicher und verunsichernd“ sein, aber sie ist nicht revolutionär, zumindest nicht hinsichtlich der Methoden, mit denen diese weitreichenden Veränderungen herbeigeführt wurden: Sie waren das Ergebnis von Verhandlungen, nicht von Straßenkämpfen. Sie wurden sehr behutsam und schrittweise eingeführt, und zwar von Eliten, die darauf bedacht waren, die politisch Stabilität nicht durch eine radikale Veränderung der bestehenden politischen Ordnung durcheinander zu bringen. Das erinnert an eine andere Folge von Revolutionen, die nicht ganz als Revolutionen gelten können: die in Ostmitteleuropa 1989. Das ist einer der Gründe, weshalb die Europäische Union gut beraten wäre, sich von den Ideen und Idealen inspirieren zu lassen, die die Menschen des ehemaligen Ostblocks in ihrem Kampf für Freiheit und Rechtsstaat leiteten. Ein anderer Grund ist direkter: die Erweiterung der Europäischen Union kann nur gelingen, wenn sie auch auf den Erfahrungen all der Nationen aufbaut, die nun ihre neuen Mitglieder geworden sind. Der vorliegende Artikel versucht aufzuzeigen, daß bestimmte Schlüsselkonzepte, die Dissidenten in Ostmitteleuropa in ihrem Kampf gegen den Kommunismus entwickelten, für das gegenwärtige Europa immer noch relevant sind. Diese Aussage ist so augenfällig, daß sie keiner weiteren Rechtfertigung bedürfte, wäre da nicht die Tatsache, daß das Erbe von 1989 (noch?) keinen angemessenen Platz in Europa gefunden hat. Das Erbe von 1989 wird häufig entweder ignoriert oder aber mißverstanden. Revolutionen, die keine sein wollten Die Revolutionen von 1989 passen nicht leicht in bestehende Vorstellungen von revolutionärem Wandel in Europa. Bei ihnen handelte es sich um „sich selbst beschränkende“ Revolutionen mit wenig oder gar keiner Gewalt, ohne einen radikalen Bruch mit der Vergangenheit und wenig bis keinen Racheakten an denen, die für die Ungerechtigkeiten der alten Regimes verantwortlich zeichneten. In direktem Gegensatz zum revolutionären Regimewechsel, den die Kommunisten nach dem Zweiten Weltkrieg vollzogen hatten, waren die Revolutionen von 1989 von Zurückhaltung statt Radikalismus geprägt. Sie waren, wie Gale Stokes scharfsinnig bemerkte, revolutionär im negativen Sinn, indem sie jede realistische Hoffnung darauf begruben, daß das teleologische Experiment, den menschlichen Verstand zur Umformung der gesamten Gesellschaft zu verwenden, Erfolg haben könnte. Auf diese Weise entkräfteten sie die revolutionäre Tradition, die gewöhnlich auf die Französische Revolution zurückgeführt und von dem Glauben getragen wird, daß aus radikal neuen Ideen radikal bessere Gesellschaften entstehen könnten. Revolutionäre, die keine sein wollten Im Vergleich waren die Dissidenten in Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn, die an die Spitze dieser Revolutionen katapultiert worden waren, sehr atypische Revolutionäre. Personen wie Václav Havel in der Tschechoslowakei, Adam Michnik in Polen und György Konrád in Ungarn sahen ihren Kampf gegen den omnipotenten kommunistischen Staat als einen „anti-politischen“ Kampf um Authentizität und nicht als einen Kampf um politische Macht. Entsprechend verhielten sie sich in bezug auf klar definierte ideologische Positionen sehr zurückhaltend. Statt dessen appellierten sie an eine Reihe von humanistischen Grundsätzen in der Annahme, daß ein auf Heuchelei, Gier und Konformismus basierendes Regime durch Wahrheitsliebe und ein Verständnis von grundlegender menschlicher Würde besiegt werden könne (daher Havels Rede vom „Leben in Wahrheit“). Diese Vorstellungen mögen ehrenvoll gewesen sein, aber vielen westlichen Beobachtern erschienen sie antiquiert und ungeeignet als Basis für ein schlüssiges und klares politisches Programm. Entsprechend standen intellektuelle Dissidenten und ihre Ideen nicht im Zentrum des wissenschaftlichen Interesses vor und (noch nicht einmal) nach dem Zusammenbruch des Kommunismus. Nach Winfried Thaa wurden Wahrheit und Lüge, Authentizität und soziale Schizophrenie […] seit Beginn der 70er Jahre zwar zu zentralen Begriffen der Dissidenz im sowjetischen Herrschaftsbereich, [sie] spielten in der westlichen Kommunismusforschung jedoch so gut wie keine Rolle. Die Vernachlässigung intellektueller Entwicklungen unter den intellektuellen Dissidenten in Ostmitteleuropa durch westliche Wissenschaftler ließ sich nach dem Kollaps des Kommunismus sogar noch leichter rechtfertigen. Es gäbe nicht viel zu untersuchen, lautete das Argument, weil die Revolutionen von 1989 in Ostmitteleuropa und Osteuropa keine neuen Ideen hervorgebracht hätten. Jürgen Habermas zum Beispiel identifizierte bereits 1990 einen eigentümlichen Zug dieser Revolution: „den fast vollständigen Mangel an innovativen, zukunftsweisenden Ideen“. Vor diesem Hintergrund war es am plausibelsten, die Revolutionen von 1989 als „nachholenden Revolutionen“ zu erklären, als Revolutionen, die den Gesellschaften hinter dem ehemaligen Eisernen Vorhang schlicht den Anschluß an das restliche Europa in seinem endlosen Marsch in die Modernität ermöglichten. 1989 und die Theorien der Modernisierung Diese Interpretation hatte den großen Vorteil, daß sie die Erfahrung von 1989 in die bestehende Geschichtsschreibung der europäischen Geschichte einpaßte, die auf Modernisierungstheorien beruht. Obwohl die meisten Beobachter Francis Fukuyamas These vom Ende der Geschichte als zu vereinfachend ablehnten, waren sie weniger abgeneigt, 1989 als die Kulmination all jener historischen Prozesse zu sehen, die 1789 ihren Anfang genommen hatten. Während die Französische Revolution die Geburt der Moderne markiert, führt 1989 Europa in seinen Reifezustand. In dieser Version ist der Weg der europäischen Zivilisation in den immer größeren Fortschritt nur durch die tragischen Unfälle des Nationalsozialismus und Kommunismus unterbrochen. Typisch ist die Einschätzung François Furets, der glaubt, daß die Revolutionen von 1989 von den „berühmten Prinzipien von 1789 in einer frischen Weise und mit erneuerter Universalität“ durchdrungen waren: Indem wir anfangen, den langen und tragischen Umweg der kommunistischen Illusion hinter uns zu lassen, sind wir mehr als je zuvor mit den großen Dilemmata der Demokratie konfrontiert, wie sie am Ende des 18. Jahrhunderts auftauchten und ihren Ausdruck in den Ideen und dem Verlauf der Französischen Revolution fanden. Furets Ansicht ist nicht unbegründet und deckt sich mit den Meinungen einiger Akteure der Revolutionen von 1989. György Konrád beispielsweise bemerkte, daß ihr Zeitpunkt, „mit einem Abstand von zweihundert Jahren, ein erbauliches Zusammentreffen mit, oder: eine Hommage an, jene Revolution darstellte, die als erste die Menschenrechte proklamiert hatte“. Tatsächlich kann man den populärsten Slogan dieser Revolutionen, „die Rückkehr nach Europa“, als die Anrufung jener Prinzipien sehen, die normalerweise mit dem Erbe der Französischen Revolution assoziiert werden: die Ideale von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Die Armut der Modernisierungstheorien Dennoch: die Anlehnung an Modernisierungstheorien und an die Französische Revolution als ausschließliches Paradigma radikaler politischer Veränderungen verdeckt einige besondere Merkmale der Revolutionen von 1989. Diese Theorien konzentrieren sich auf abstrakte historische Kräfte und sind daher schlecht geeignet, die Wirkung jener unberechenbaren Faktoren zu berücksichtigen, die den gesellschaftlichen Wandel zu einem so faszinierenden und unvorhersehbaren Untersuchungsgegenstand machen: die Rolle von Persönlichkeiten und ihrer Vorstellungen oder die Rolle von kulturellen und politischen Identitäten. Allgemein können Modernisierungstheorien wenig zu unserem Verständnis beitragen, welche Möglichkeiten es gibt, repressive politische Strukturen von innen herauszufordern. Es ist bezeichnend, daß die Modernisierungstheorien, während die meisten ihrer Anhänger den Zusammenbruch des Kommunismus nicht vorherzusagen imstande gewesen waren, im Nachhinein die plausibelste Erklärung für die „Unausweichlichkeit“ des Zusammenbruchs zu liefern. Darüber hinaus setzte 1989 eines der wichtigsten Prinzipien von 1789 außer Kraft oder machte es zumindest völlig unglaubwürdig: das von revolutionären Führern und Denkern von Robespierre über Lenin bis zu Žižek proklamierte Prinzip, daß eine radikale gesellschaftliche Veränderung nur möglich ist als Resultat eines gewalttätigen Kampfes. Die gemäßigten „Revolutionäre“ in Ostmitteleuropa weigerten sich, revolutionäre Gewalt als Mittel der Befreiung anzuwenden und zu rechtfertigen. So markieren die Revolutionen in Ostmitteleuropa von 1989 das Ende dieser revolutionären Tradition, die als ihr bestimmendes Paradigma die Revolution von 1789 in Frankreich betrachtete. 1989 als konservative Revolutionen? Paradoxerweise bestand also eine der interessantesten Innovationen der Revolutionen von 1989 in der Tatsache, daß sie keinen Corpus gewagter neuer Ideen hervorbrachten, die als Muster für eine neue Gesellschaft benutzt werden könnten. Wenn überhaupt, waren sie rückwärtsgewandt, in diesem Sinne sogar konservativ. Dies wiederum, ohne Žižek und anderen zeitgenössischen Politikwissenschaftlern, die den Niedergang des revolutionären Geistes beklagen, zu nahe treten zu wollen, ist der Schlüssel, um den Erfolg dieser Revolutionen verstehen zu können. Historisch gesprochen wäre ein Mißlingen dieser Revolutionen nicht ungewöhnlich gewesen – es ist ihr Erfolg, der bemerkenswert ist und nach Erklärung verlangt. Gerade weil diese Revolutionen unoriginell und rückwärtsgewandt waren, waren sie so erfolgreich. Ironischerweise könnten die Ereignisse von 1989 wahrscheinlich besser mit dem Begriff „Revolution“ in seiner ursprünglichen Bedeutung, als Rückkehr zu einem früheren Zustand, umschrieben werden. Dabei handelt es sich um die Art von revolutionärer Veränderung, die von den Kritikern der Französischen Revolution verteidigt wurde, wie etwa von Edmund Burke. Burkes berühmte Entkräftung der ideologisch inspirierten Gewaltexzesse der Französischen Revolution hallt deutlich in den zentralen Einsichten der Dissidenten in Ostmitteleuropa nach: das Konzept einer „sich selbst beschränkenden Revolution“, die Idee einer „Rückkehr zur Normalität“ und die Ideale einer ethischen Zivilgesellschaft und „Anti-Politik“. 1789 als abschreckendes Beispiel? Seit der Veröffentlichung von Burkes Betrachtungen über die Französische Revolution hatten die Befürworter revolutionärer Veränderungen, die gleichzeitig auf Freiheit und Gleichheit gerichtet waren, mit einem fundamentalen Dilemma der liberalen Demokratie zu kämpfen: mit dem Fakt, daß Demokratie die Freiheit zerstören kann. Denker solch unterschiedlicher Couleur wie Alexis von Tocqueville, John Stuart Mill, Lord Acton, Hannah Arendt und Fareed Zakaria haben vor der Gefahr gewarnt, daß die Macht des Mobs die Macht des Gesetzes ersetzen kann – das Problem der „Tyrannei der Mehrheit“. Diese Lektion hatten die führenden Dissidenten in Ostmitteleuropa gut gelernt. So schreibt etwa Michnik in seinen Bemerkungen zu den Tugenden der Demokratie: Demokratie ist nicht identisch mit Freiheit. Demokratie ist gesetzlich verankerte Freiheit. Freiheit an sich, ohne ihre Beschränkung durch Gesetz und Tradition führt zu Anarchie und Chaos – dahin, wo das Recht des Stärkeren gilt. Das heißt nicht, daß die postkommunistischen Staaten in Ostmitteleuropa sich der Gültigkeit ihrer neu errichteten liberalen Demokratien auf immer sicher sein können – der Rechtsstaat bleibt nach wie vor ein Ideal, dem man sich immer wieder nähern muß –, aber gemessen an ihren historischen Vorläufern waren die Revolutionen von 1989 erstaunlich erfolgreich darin, das Prinzip der Freiheit im Gesetz zu verankern. Dies geschah nicht zufällig, denn es war im Einklang mit den Anstrengungen der Hauptakteure, revolutionäre Veränderungen ohne Revolution durchzusetzen. In diesem Sinne ist es zutreffend, die ostmitteleuropäischen Ereignisse von 1989 als „anti-revolutionäre Revolutionen“ zu bezeichnen, „Revolutionen im Rahmen des Gesetzes“ oder – um meine These zu wiederholen – konservative Revolutionen im Sinne Edmund Burkes. 1688 und 1776, nicht 1789 Tatsächlich kann man Burke als Verteidiger des Freiheitsideals – wenn auch nicht der Gleichheit – und eines gewissen revolutionären Wandels betrachten, die er in der britischen Glorious Revolution von 1688 am besten verwirklicht sah. Wie der komplette Titel von Burkes einflußreichem Werk andeutet, gab es eine andere Dimension in seiner Kritik an der Französischen Revolution, die in Diskussionen über moderne Revolutionen häufig übersehen wird, nämlich seine Sorge um den Schutz der Errungenschaften der Revolution in Großbritannien. Burkes grundsätzliche Einsichten können insofern auch zu einem Verständnis der einzigartigen Wesensmerkmale von 1989 beitragen, indem sie alternative Bezugspunkte bieten wie die Glorious Revolution von 1688 und die Amerikanische Revolution von 1776. Wie Krishan Kumar in bezug auf die Ziele und Methoden dieser Revolutionen angemerkt hat, gibt es einige bedeutsame Ähnlichkeiten zwischen 1989, 1776 und 1688: Wenn es in den Revolutionen von 1989 um Demokratie, Verfassung, Staatsbürgerschaft, Rechtsstaatlichkeit, Schutz der Bürgerrechte und die Errichtung pluralistischer Zivilgesellschaften ging, kann man kaum an passendere Parallelen denken als an die Englische und Amerikanische Revolution. Tocquevilles etwas idealisierte Darstellung der Amerikanischen Revolution von 1776 als Typ von Revolution, die „keine Allianz mit den turbulenten Leidenschaften der Anarchie einging, sondern deren Verlauf im Gegenteil geprägt war von der Liebe zu Ordnung und Gesetz“ kann auf 1989 angewendet werden. 1776 wie 1989 waren sich die „revolutionären“ Führer der Gefahren eines radikalen Bruchs mit der Vergangenheit bewußt und entschieden sich daher für eine sich „beschränkende Revolution“, in der die Sorge um politische Stabilität den Innovationsgeist bremste. In Anlehnung daran argumentierte Michnik: „Solidarität hat nie die Vision von einer idealen Gesellschaft. Sie will leben und leben lassen. Ihre Ideale sind näher an der Amerikanischen Revolution als an der Französischen.“ Auf ähnliche Weise kann Burkes Darstellung der Revolution von 1688, die sich auf den Versuch konzentriert, „alte unwiderrufliche Gesetze und Freiheiten“ zu erhalten, in Relation gesetzt werden zu der Vorstellung von der „Rückkehr zur Normalität“ in den Ländern Ostmitteleuropas. Als sich die Tschechen, Polen, Slowaken und Ungarn ihrer tyrannischen Regime entledigten, glaubten sie dabei, richtiger- oder fälschlicherweise, daß sie schlichtweg nur ihre alten Freiheiten zurückforderten. Diese Sicht auf 1989 zu akzeptieren könnte zu einer Neubewertung der historischen Vorläufer revolutionärer Veränderungen führen, wie sie Hannah Arendt schon vor vielen Jahren forderte. Sie beklagte die Tatsache, daß Intellektuelle im Westen vom Vermächtnis der Französischen Revolution derart besessen waren, daß sie dazu neigten, alle anderen Ereignisse, auch die Amerikanische Revolution, durch das Prisma von 1789 zu betrachten: Die traurige Wahrheit ist, daß die Französische Revolution, die in einer Katastrophe endete, Weltgeschichte geschrieben hat, während die Amerikanische Revolution, so triumphal erfolgreich, ein Ereignis mit kaum mehr als lokaler Bedeutung geblieben ist. Nach Arendt war die Amerikanische Revolution erfolgreicher als ihr französisches Pendant, da sie den Bürgern neue Möglichkeiten eröffnete, sich in die Politik aktiv und als Gleiche vor dem Gesetz einzumischen. Indem die Amerikanische Revolution den Fokus stärker auf die politische Freiheit als auf soziale Gleichberechtigung richtete, eröffnete sie authentischem politischem Engagement einen Raum. Wie Winfried Thaa überzeugend dargelegt hat, können die Revolutionen von 1989 als späte Verteidigung von Arendts Versuch angesehen werden, das dominante Konzept von Revolution in Europa herauszufordern mit einem „Revolutionsbegriff, der nicht die Umwälzung der Gesellschaftsordnung in den Mittelpunkt rückt, sondern, orientiert an der amerikanischen Revolution, die Neugründung des politischen Raumes“. In jedem Falle können beide Revolutionen, die von 1776 wie auch die von 1989, beschrieben werden als sich selbst beschränkende Revolutionen. Sich selbst beschränkende Revolutionen Die Idee einer sich beschränkenden Revolution entstand zum Teil als pragmatische Antwort auf eine neue geopolitische Situation in Ostmitteleuropa. Nach einer Reihe erfolgloser Aufstände gegen die autoritären kommunistischen Regime sowjetischen Typs (1953 in der DDR, 1956 in Ungarn und Polen und 1968 in der Tschechoslowakei) wurde deutlich, daß keine bedeutsamen Veränderungen des politischen Systems in den Ländern Ostmitteleuropas möglich sein würden, solange die Sowjetunion entschlossen war, die Kontrolle über ihre Satellitenstaaten zu behalten. Und doch war das Handeln der zögernden Revolutionäre in Ostmitteleuropa nicht nur von solch pragmatischen Überlegungen geprägt. Ebenso entscheidend oder entscheidender war ihre Überzeugung, daß sie in ihrem eigenen politischen Kampf Zurückhaltung würden üben müssen, um „die sehr negativen Erfahrungen aller unbeschränkten sozialen Revolutionen des jakobinisch-bolschewistischen Typs“ zu vermeiden. Sie waren außerdem überzeugt, daß es möglich sein mußte, die „posttotalitären“ kommunistischen Regimes von innen mit friedlichen Mitteln herauszufordern, wenn nur ausreichend viele Menschen dazu entschlossen wären. Das waren die Überlegungen hinter Havels folgenreichem Essay Moc Bezmocných (dt. Versuch, in der Wahrheit zu leben), in dem er den Gebrauch dogmatisch-ideologisch inspirierter Gewalt ablehnte: Dies ergibt sich schon aus der […] schon erwähnten Skepsis jener Denkart gegenüber, die sich auf den Glauben stützt, eine wirklich bedeutende Veränderung der Gesellschaft sei nur zu erreichen, wenn man (egal auf welche Art) einen Wechsel des Systems oder der Regierung durchsetzt und daß dieser Wechsel – als ein sogenannter „prinzipieller“ – dazu berechtigt, ihm auch das „weniger prinzipielle“, das heißt Menschenleben zu opfern. Die Achtung vor den eigenen theoretischen Konzepten gewinnt hier die Oberhand vor der Achtung des menschlichen Lebens; eben darin liegt aber die potentielle Gefahr der neuen Versklavung des Menschen. Michniks Absage an das mit der Französischen Revolution assoziierte Ideal revolutionärer Gewalt war noch expliziter: „Zu glauben, man stürze die Diktatur der Partei durch eine Revolution, ist sowohl unrealistisch als auch gefährlich“, argumentierte er, weil „diejenigen, die Gewalt anwenden, um die heutigen Bastilles zu stürmen, wahrscheinlich noch größere und schlimmere Bastilles bauen werden“. Als Konsequenz war die politische Opposition gewillt, sich in ihrem Machtgebrauch zu beschränken, sogar nach dem tatsächlichen Zusammenbruch des Kommunismus. Sie unternahmen große Anstrengungen, um „die Fiktion der legalen Kontinuität mit einer Vergangenheit ohne Legalität“ zu erhalten. Wie Arato bemerkt, ist dies eines der bemerkenswerten Vermächtnisse von 1989: Es ist der große Beitrag des ost- und ostmitteleuropäischen Kampfes um Legalität inmitten des radikalen Umbruchs, daß ohne republikanische Institutionen geerbt zu haben, das Neue erbaut werden kann ohne komplett mit dem Alten zu brechen. Die antikommunistischen Revolutionäre waren bereit, mit ihren früheren kommunistischen Feinden zu verhandeln, weil sie befürchteten, daß die Alternative den Sturz in Chaos und Anarchie bedeutet hätte. Die Akteure „versuchten zu jeder Zeit, eine Revolution ohne Revolution durchzuführen“. Nicht nur die Dissidenten, sondern auch die Massen auf den Straßen wollten keine vollständige Revolution im traditionellen Sinn, sondern einfach eine „Rückkehr zur Normalität“. Rückkehr zur „Normalität“ Die Vorstellungen von einer Rückkehr zur „Normalität“ oder die „Rückkehr nach Europa“ mögen sehr ambivalent gewesen sein, aber bei einer großen Mehrheit der Menschen fand sie Anklang. Viele Polen, Tschechen, Slowaken und Ungarn wollten, daß nach dem „törichten Experiment“ des Kommunismus sich wieder ein Gefühl von Normalität einstellte. Die Tatsache, daß man diese Normalität mit dem Lebensstil in den etablierten westlichen Demokratien gleichsetzte, und daher von jeglicher vergangenen oder gegenwärtigen Erfahrung der Völker Ostmitteleuropas weit entfernt sein könnte, hielt niemanden davon ab, die Rückkehr zu Normalität als natürlich zu betrachten. Sie bedeutete die Rückkehr zu einer Vergangenheit, die es möglicherweise niemals gegeben hatte. Wie der polnische Soziologe Jerzy Jedlicki trocken bemerkte, war Polen immer schon dabei, nach Europa zurückzukehren, obwohl es niemals wirklich dort gewesen war. Und doch war es gerade diese Wahrnehmung, die es den Polen, Tschechen, Slowaken und Ungarn ermöglichte, ihren Kampf für Freiheit im Einklang mit den besten Aspekten ihrer eigenen nationalen Traditionen zu sehen. In Burkes Worten forderten die Nationen Ostmitteleuropas einfach nur ihre alten Freiheiten zurück. Auf diese Weise verband die Vorstellung von einer Rückkehr zur Normalität das Projekt des postkommunistischen Wandels, der sich auf eine liberal-demokratische Zukunft richtete, mit der vorkommunistischen Vergangenheit. Und doch war nicht nur die vorkommunistische Vergangenheit ein Bezugspunkt für die Bewertung liberaler Werte. Die neuen Führer waren auch bemüht, die Menschen zur Unterstützung liberaler Werte zu ermutigen, indem sie an die mißlungenen Aufstände gegen den Kommunismus erinnerten. Diese Rückkehr zu den besten Aspekten der widerständischen Vergangenheit befand sich offensichtlich in Konflikt mit dem zweiten Merkmal konservativer Revolutionen, nämlich dem Bemühen um die Fiktion einer legalen Kontinuität mit dem gesetzes- und rechtswidrigen kommunistischen Regime. Natürlich handelte es sich hier um widersprüchliche Impulse: Man konnte keine „Vergangenheiten“ bewahren, die sich so radikal voneinander unterschieden, sich sogar gegenseitig ausschlossen. Und dennoch tat man es, sogar wenn es zu grotesken Szenarien führte. Es genügt, daran zu erinnern, daß Václav Havel, der als Führer der Charta 77 von den Kommunisten verachtet worden war, im Dezember 1989 von der kommunistischen (!) Nationalversammlung in das Amt des Präsidenten der Tschechoslowakei gewählt wurde. Tatsächlich gibt es eine weitere Ironie, welche die Revolutionen von 1989 zu konservativen im Burkes Sinne macht. Auch wenn die Revolutionen von 1989 eine Reihe der Ziele von 1789 teilten, gegen die Burke seinerzeit opponiert hatte, scheinen viele der zweihundert Jahre alten radikalen Ideen heute weit weniger radikal. Zum Beispiel wandte Burke sich gegen die demokratischen Ideale und das moderne Konzept der Bürgerschaft, weil er glaubte, daß diese aufklärerischen Vorstellungen zu radikal wären und die Freiheit gefährdeten. Dagegen ist gut vorstellbar, daß er heute weitaus weniger gegen sie einzuwenden hätte. Zweihundert Jahre nach der Französischen Revolution sind die Ideale der französischen Revolutionäre zum Teil einer „europäischen“ oder westlichen Tradition geworden, und die meisten Menschen dürften Demokratie und Freiheit heute keineswegs für inkompatibel halten. Anti-Politik und Zivilgesellschaft Aufgrund der anhaltenden Popularität des Begriffs der Zivilgesellschaft, die ideologische Grenzen überschreitet, mag es leicht in Vergessenheit geraten, daß das Konzept ursprünglich auf einem sehr konservativen Ideal fußte – der Überzeugung nämlich, daß freie Gesellschaften auf private Tugenden angewiesen sind. Ein guter Charakter und Tugendhaftigkeit sind nach Burke nicht das Resultat eines abstrakten Ideals von Menschlichkeit. Sie können nur hin und wieder innerhalb sehr kleiner Gemeinschaften von Bürgern gefördert werden, in Kleinverbänden, in denen jeder seinen Platz kennt und die sich in konzentrischen Kreisen von der Familie zur Nachbarschaft, von der Nachbarschaft zur Stadt und von der Stadt zur Nation und der weiteren Welt ausdehnen. Man wird nicht einfach tugendhaft, weil man die Weisheit von Rousseaus volonté générale oder von Kants kategorischem Imperativ verstanden oder akzeptiert hat. Ganz ähnlich liegt für Hannah Arendt kein großer Nutzen darin, sich auf edle Freiheitsprinzipien zu berufen, wenn der politische Raum nicht auch im gesellschaftlichen Bereich geschaffen wird, in dem authentisches Handeln unabhängiger Bürger stattfinden kann. Auch dieses Denken schwingt in den Überzeugungen der Dissidenten mit, die davon ausgingen, daß der Kommunismus nur durch eine Veränderung in den „Herzen und Köpfen“ der individuellen Mitglieder der Gesellschaft besiegt werden könnte. Erst dann würde sich der postkommunistische Wandel durchsetzen können. Aus diesem Grund forderte Havel, sich „von einer abstrakten politischen Vision der Zukunft zu dem konkreten Menschen und zu der wirksamen Verteidigung dieses Menschen „hier und jetzt“ hinzuwenden. Politisches Engagement sollte das Ergebnis konkreter Übernahme von Verantwortung sein. Darin bestand das Ideal einer ethischen Zivilgesellschaft. In seiner anfänglichen Form war das Konzept der Zivilgesellschaft nicht revolutionär gedacht. Die Zivilgesellschaft sollte sich nicht gegen den Staat wenden, sondern sollte ihn vervollständigen. Das war die „von Locke, der schottischen Aufklärung, von Burke, Hegel und von Tocqueville“ ererbte Tradition. Wie einer der führenden ungarischen Intellektuellen, G. M. Tamás, erläuterte, übernahmen die Dissidenten in Ostmitteleuropa dieses Konzept auf kreative Weise für ihre eigenen Zwecke und wandten es gegen den restriktiven kommunistischen Staat. Dieser Antagonismus zwischen Staat und Gesellschaft erinnert mehr an Thomas Paine als an Burke, und es ist daher nicht verwunderlich, daß linke Intellektuelle im Westen großen Gefallen am ostmitteleuropäischen Konzept der Zivilgesellschaft fanden. Thomas Paine ist derjenige, der im Common Sense feststellte, daß die „Gesellschaft in jedem Staat ein Segen“ sei, wohingegen „Regierungen noch im besten Staat nur ein notwendiges Übel“ sein können. Der Argwohn der Dissidenten gegenüber dem kommunistischen Staat und seiner offiziellen Ideologie, dem Marxismus, fand seinen Ausdruck in der Idee der Anti-Politik. Die Anti-Politik richtete sich nicht nur gegen den Staat, sondern gegen jegliche Form institutionalisierter Politik. Die Anti-Politik stand nicht nur dem Kommunismus feindlich gegenüber, sondern jeglicher dogmatischen politischen Ideologie. Dennoch wäre es ein grobes Mißverständnis, das Ideal der Anti-Politik als apolitisch zu betrachten. Im Gegenteil ermöglichte es, daß das Handeln des Einzelnen durch die Befreiung von den Beschränkungen institutionalisierter Politik und des schematischen Denkens innerhalb eines abstrakten ideologischen Rahmens authentische Bedeutsamkeit erlangte: In diesem Sinne wurde das Persönliche politisch. Das Ideal der Anti-Politik ermutigte die Menschen zu handeln, „als ob sie frei seien“ und die Verantwortung, die eben diese Freiheit mit sich bringt, zu übernehmen. Anti-Politik war also keine prinzipienlose Politik, sondern einfach eine „Politik ohne Cliché“. Europa als Wertegemeinschaft Wenn überhaupt, waren die Dissidenten in Ostmitteleuropa weniger zurückhaltend, grundsätzliche Positionen in ihrem politischen Kampf zu besetzen als ihre westlichen Kollegen. Das zeigt sich in der anhaltenden Debatte über die Ziele der europäischen Integration und die Mittel, um diese zu erreichen. Während die Debatten im Westen sich auf die technischen Aspekte der Integration zu konzentrieren schienen, betonten die ostmitteleuropäischen Intellektuellen immer wieder, daß Europa als Gemeinschaft gemeinsamer Werte betrachtet werden und daher durch eine Reihe von Grundprinzipien definiert werden sollte. Bronisław Geremek forderte kürzlich: Wenn die Europäische Union nationale Kleinstaaterei überwinden und durch einen geteilten und verbindlichen Zweck geeint werden soll, dann muß sie die Rhetorik der Buchhalter aufgeben und in einer Sprache sprechen, die versteht, was gut und schlecht, was schön und häßlich, was richtig und falsch ist. Eine ähnliche Argumentation, die die technokratische Natur der Europäischen Union kritisiert, findet sich in Havels Kommentar zum Vertrag von Maastricht. Obwohl Havel sich von den einfallsreichen verfassungsrechtlichen Bestimmungen des Vertrags beeindruckt zeigte, blieb bei ihm der Eindruck, daß etwas Wichtiges fehlte: Ich hatte das Gefühl, daß ich in den inneren Mechanismus einer absolut perfekten und ausgesprochen genialen modernen Maschine blickte. Eine solche Maschine zu betrachten, muß für jeden Bewunderer technischer Innovationen eine große Freude sein. Aber für mich, dessen Interesse an der Welt sich nicht in der Bewunderung gut geölter Maschinen erschöpft, fehlte etwas sehr Wichtiges, etwas, das man in einfachen Worten eine spirituelle, moralische oder emotionale Dimension nennen könnte. Der Vertrag wandte sich an meinen Verstand, aber nicht an mein Herz. In zunehmendem Maße wird dieses Problem auch im Westen eingeräumt. Larry Siedentop beklagt zum Beispiel „den Mangel einer nachforschenden Diskussion über die europäische Integration – eine Diskussion, die die zugrundeliegenden Annahmen über das menschliche Wohl ans Tagelicht brächte – [was] an sich symptomatisch ist für die Krise in den europäischen Glaubensgrundsätzen“. Vor diesem Hintergrund können die Erfahrungen der Dissidenten Ostmitteleuropas in ihrem Kampf gegen tyrannische Regime aufschlußreich sein, indem sie Europa an seine ursprüngliche Bestimmung erinnern. Im Zusammenhang mit den Debatten um den europäischen Verfassungsentwurf gewinnt die Frage nach dem Sinn und Zweck der Integration erneut an Bedeutung. Wird das erweiterte Europa das Erbe von 1989 in sich aufnehmen können? Die bisherigen Anzeichen sind nicht sehr vielversprechend. Die Erfahrungen der postkommunistischen Nationen Ostmitteleuropas besetzen in den Diskussionen über die entstehende europäische Identität keine prominente Stelle. Habermas’ jüngster Versuch europäischer Identitätsbildung beruht auf seiner antiamerikanischen Haltung, auf dem Säkularisierungsgedanken, dem Ideal des Wohlfahrtsstaats und dem Kampf europäischer Völker für den Frieden, richtet sich aber, wenn überhaupt, nicht an, sondern gegen die intellektuellen Dissidenten in Ostmitteleuropa. Obwohl Habermas sich mit den historischen Entwicklungen des 20. Jahrhunderts sowie den „Erfahrungen der totalitären Regimes des zwanzigsten Jahrhunderts“ beschäftigt, erwähnt er den Kampf gegen den Kommunismus oder das, was ich das Erbe von 1989 nenne, kein einziges Mal. Er blickt statt dessen auf die Friedensdemonstrationen im Februar 2003, die gleichzeitig in „London und Rom, Madrid und Barcelona, Berlin und Paris“ stattfanden. Das koordinierte Handeln der Demonstranten bedeutete für Habermas das lang herbeigesehnte Aufkommen einer europäischen Öffentlichkeit. Die Präambel des Vertragsentwurfs für eine europäische Verfassung ist sogar noch ahistorischer. In ihr fehlen jegliche spezifischen Bezüge auf die historischen Erfahrungen, die das moderne Europa formten. Sie erwähnt weder den Ersten und den Zweiten Weltkrieg noch die Revolution von 1989. Dabei handelt es sich unter Umständen um eine weitere verpaßte Chance, wenn man bedenkt, daß der Erfolg des gegenwärtigen europäischen Projekts ohne einen Bezug auf die Niederlage zweier großer totalitärer Herausforderungen der liberalen Freiheit des 20. Jahrhunderts nicht zu verstehen ist: des Nationalsozialismus und des Kommunismus. So ist der aktuelle Entwurf der Präambel ein äußerst uninspiriertes technokratisches Dokument, das kaum einen der ostmitteleuropäischen Intellektuellen, die nach einer „spirituellen, moralischen oder emotionalen Dimension“ der europäischen Integration suchen, zufriedenstellen wird. Soll die Europäische Union zu mehr als der Summe ihrer Teile werden, zu einer Gemeinschaft von Völkern und Bürgern statt nur zu einem Zusammenschluß von Nationalstaaten, dann muß sie auch auf den Ideen und Idealen erbaut werden, welche die Dissidenten zu ihrem Kampf gegen den Kommunismus inspirierten. Die Debatten über die institutionelle Zusammensetzung der erweiterten Europäischen Union sollte unsere Aufmerksamkeit nicht von fundamentalen Fragen über den Zweck der Integration ablenken. Folgen wir Bronisław Geremeks Rat, müssen wir fragen: „Warum wollen wir zusammenleben? Worin liegt der Sinn der europäischen Integration?“ Zur Beantwortung dieser Fragen sollten die Lektionen Berücksichtigung finden, welche die Menschen Ostmitteleuropas in ihrem Freiheitskampf gelernt haben, den viele von ihnen als einen Kampf für Europa sahen. Aus dem Englischen von Stefanie Lotz, Frankfurt

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